„Weilt der Gast auch nur kurz, So sieht er trotzdem viel.“
Mongolisches Sprichwort
Ich hatte einen Traum. Immer wenn wir in der Familie davon sprachen, wo wir einmal hinreisen wollten, sagte ich: „In die Mongolei!“ Und das blieb ein Traum, bis ich an Weihnachten 2017 einen Umschlag aufmachte, den mir Lukas, mein Sohn, geschenkt hatte. Darin war ein großes Foto mit einer Jurte und Pferden darauf, und: „Liebe Mamma, Frohe Weihnachten! Wir beide, we escape to Mongolia 2018!
Wir planten einen Zeitraum, und kauften dann noch im Winter 2017 Flugtickets für September 2018, von München über Beijing, nach Ulaan Baatar, und zurück. Zeitraum: 29.8.-14.9.2018.
Wir fliegen von München nach Beijing.
Da wir 10 Stunden Aufenthalt haben, bevor es weiter nach Ulaan Baatar geht, nehmen wir ein Taxi, und fahren zur „Verbotenen Stadt“. Es dauert lange, da der Flughafen außerhalb der Stadt liegt, und viel Verkehr herrscht. Die Luft ist nicht sehr gut. In der Verbotenen Stadt drängen sich viele Touristen. Es regnet! Lukas und ich beschließen, uns nicht in die lange Warteschlange einzureihen.
Ein schönes Bild habe ich mitgenommen: Ein chinesischer Straßenkehrer steht allein mitten im Touristenstrom. Er ist sehr groß, und steht ganz ruhig im Regen, und schaut. In der Hand hält er einen alten Straßenbesen, neben ihm steht ein Eimer. Er trägt einen grauen Arbeitsoverall, und darüber einen dünnen hellblauen, durchsichtigen Regenponcho, und einen Hut. Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein. So, als würde dieser Mann schon seit Jahrhunderten hier stehen.
Spannend wird es auf der Rückfahrt zum Flughafen. Der Taxifahrer bekommt den Kofferraum seines Autos nicht mehr auf. Wir fahren mit ihm zu einer Werkstatt. Dort will er den lässigen KFZ-Mechanikern sein Problem zeigen - und: Der Kofferraum geht auf! Coole Blicke der Mechaniker, ungläubiges Gesicht des Taxifahrers, und „Freudentränen“ der Erleichterung auf unserer Seite.
Jetzt haben wir sogar noch Zeit, eine Peking-Ente zu essen.
Unsere Kontaktperson bei „ escapetomongolia.com", die schon im Vorfeld für uns da war, organisierte alles Wichtige und beriet uns. Da wir nur 13 Tage Zeit hatten, sollte es eine Route sein, die in dieser Zeit zu bewältigen war, und Orte beinhaltete, die uns interessierten.
Wir wurden vom Flughafen abgeholt, und zum Hotel gebracht.
Im Gesamtpaket mit inbegriffen ist jeweils auf der Hin- und Rückfahrt eine Nacht im Kempinski Khan Palace Hotel, was wir sehr angenehm fanden! Sehr freundlicher Service und ein exquisites Frühstücksbüffet! Das beste, das ich je genossen habe!
Am nächsten Tag nehmen wir „unseren“ Jeep in Empfang, einen russischen Wagen der Marke „Patriot“, und ganz neu von SIXT rent a car (hyperlink to sixtrentals.com) ! Im Auto können wir auch notfalls schlafen, wenn wir die hinteren Sitze herunterklappen. Aber dafür ist eigentlich ein Zelt der deutschen Marke „Heimplanet“ mit an Bord, das einfach und sehr schnell, in wenigen Minuten, aufgebaut ist. Ein aufblasbares Zelt! Außerdem gibt es zwei Iso-Matten und eine Kiste, in der sich alles nötige zum Kochen und Essen befindet: Gaskocher, Topf, Geschirr und Besteck.
Wir wechseln Geld, und kaufen noch die restlichen Dinge ein: Lebensmittel, Wasser, ein Messer und ein Holzbrett zum Gemüseschneiden.
Aus Deutschland haben wir, außer unserem Gepäck, nur unsere Schlafsäcke mitgenommen.
Dann geht es los „on the road“!
Als ich mich in all den Monaten intensiv mit unserer Reise beschäftigte,mit Reiseführer und Landkarte, und der Beratung von escapetomongolia.com, merkte ich schnell, wie unglaublich groß und weit dieses Land ist! Die normalen Streckenvorstellungen, also, wie lange du brauchst, um z.B. 800 km weit zu kommen, gelten in diesem Land nicht! Schon allein, um aus Ulaan Baatar herauszukommen, dauert es meistens etwas länger, da hier eigentlich fast immer Stau ist. Und auf dem Land gibt es zwar mittlerweile geteerte Straßen, aber die sind teilweise in einem schlechten Zustand, und du kannst nicht davon ausgehen, sie wie z. B. eine europäische Autobahn befahren zu können! Da die Tiere, also Schafe, Ziegen, Pferde, Kühe, Kamele, und Hunde, alle frei herumlaufen, musst du jederzeit damit rechnen, dass sie über die Straße laufen, oder darauf stehen oder liegen! Andere Autos, vor allem LKWs stehen oft auf der Straße wenn sie eine Panne haben, da es keinen Standstreifen gibt. Vor Kuppen musst du immer verlangsamen, da du nie weißt, was dich dahinter erwartet.
Die Straßen selbst sind größtenteils sehr gut befahrbar, aber ab und zugibt es Löcher oder beschädige Stellen, die nicht gekennzeichnet sind! escapetomongolia.com riet uns deshalb auch, nie Nachts zu fahren.
Insofern kamen Lukas und ich zu dem Schluß, nicht zu viel zu wollen! Unser erstes Ziel ist der Chöwsgöl-Nuur (Khuvsgul See) im Norden der Mongolei, nahe der Grenze zu Russland und zum Baikal See. Circa 800 km von Ulaan Baatar entfernt. Dort wollen wir zuerst hinfahren, mit einem Abstecher zum Kloster Amarbayasgalant, das in der Nähe von Erdenet „fast“ auf dem Weg liegt. Dann wollen wir schauen, ob wir eventuell noch Zeit haben, einen Abstecher in den Süden zu machen, nach Sainshand, zum „Shambala-Energiezentrum“, zum „Heiligen Berg“ und der Kloster-Anlage Khamariin Khiid, alles Orte, die circa 40 km südlich der Stadt Sainshand, zu finden sind.
Unsere erste Nacht verbringen wir nicht weit außerhalb von Ulaan Baatar, da wir erst nachmittags losgefahren sind. Lukas fährt einfach von der Straße ab, und einen kleinen Weg auf einer Weide immer weiter hinauf, bis zum Waldrand, wo wir unser Lager aufschlagen.
Die Aussicht ist atemberaubend schön!
Langsam geht die Sonne unter und zusammen mit heraufziehenden Regenwolken zaubert sie ein wundervolles Bild über Berge und Gebirgszüge, die sich unendlich, immer weiter zum Horizont erstrecken! Wir können uns nicht satt sehen, und sind überwältigt von diesem Panorama!
Wir wandern noch zu einem schönen „Ovoo“ (= Gebetsstätte, meist auf einem Hügel, Berg, oder auch nahe der Strasse gelegen), in der Nähe. Wenn du ein Ovoo siehst, solltest du anhalten, und dreimal im Uhrzeigersinn darum herumlaufen. Dann kannst du drei Steine oder andere Dinge (Bonbons, Geld, Vodka…) opfern, und um eine gute Reise bitten. Falls du nicht anhalten kannst, reicht es, dreimal zu hupen, oder die Warnblinkanlage anzuschalten.
Später machen wir ein kleines Feuer, bis der einsetzende Regen es löscht.
Weil wir nicht wissen, wie sich das Wetter in der Nacht entwickeln wird, ziehen wir lieber ins Auto um, und schlafen dort.
Dass ich nun hier bin, in der Mongolei, im Auto, neben Lukas, mitten in den mongolischen Bergen, draußen der Regen, dazu aufkommender, dichter Nebel…all’ das macht mir plötzlich Angst! Komisch! Denn es ist gemütlich im Auto, warm und trocken! Irgendwann schlafe ich ein.
Morgens hat sich der Nebel fast aufgelöst, und es gibt Honigbrot und Ingwertee im Nieselregen, was uns aber nicht daran hindert, alles, so wie es ist, zu genießen! Wir räumen auf, und packen zusammen. Ich sammle noch den Müll ein, den wir hier oben gefunden haben! Erstaunlich, dass selbst hier, an diesem einsamen Waldrand weggeworfene Zigarettenschachteln, alte Saftkartons, Windeln und Plastikpapiere herumliegen. Schade.
Wieder auf der Straße merken wir: „Der Weg ist das Ziel“! Durch diese Landschaften zu fahren, die Weite und Freiheit zu spüren, ist so wunderschön!!!
Heute wollen wir noch einen Abstecher zum Kloster Arambayasgalant machen, das in einem versteckten Tal zwischen Darkhan und Erdenet liegt.
Wir kochen unser Mittagessen an der Sandpiste, die zum Kloster führen soll. Ein großes Motorrad kommt aus Richtung des Klosters vorbei, mit deutschem Kennzeichen, der Mann winkt uns kurz zu.
Leider endet die breite Sandstraße, und geht über in verschiedene ausgefahrene Erdpisten, teilweise schlammig, oder mit großen Wasserpfützen darin. Diese „Straßen“ schlängeln sich oft halsbrecherisch hoch und runter. Lukas genießt das „off-road-feeling“. „Besser als jedes Computerspiel“, lacht er, und stürzt uns über die nächste Klippe.
Wir und der Inhalt des Jeeps werden hin - und hergeworfen, und hüpfen auf und nieder. In einer Einkaufstüte geht das große Glas mit den russischen Gurken zu Bruch, und wir räumen unsere Lebensmittel „stoßfest“ um. Nach wenigen Kilometern bin ich am Ende meiner Nerven. Aber das, was ich sehe ist wie ein Geschenk! Immer weiter fahren wir in entlegene Täler, sehen unglaublich schöne Landschaften, die sehr archaisch sind: grüne Weiden und Berge, mit Jurten, die wie weiße Tupfer hineingemalt sind, Pferde, kleine Flüsse…
Irgendwann endet die Straße im Sumpf, wir wenden, und nehmen eine andere, die aber immer schmaler wird. Bei einem Abbruch der Straße sehen wir kaputte Autoteile in der Tiefe, und denken: „Das kann nicht der richtige Weg zum Kloster sein!“
Wir halten bei einer Jurte. Ein junger Mongole kommt heraus. Er spricht kein Englisch. Und wir nicht mongolisch! Er weiß von keinem Kloster. Auf dem Dach seiner Jurte trocknen kleine weiß-gelbe Milch-Plätzchen. Er schenkt uns eine Handvoll. Wir schenken ihm Schokokekse. Er freut sich! Sein Gesicht ist dunkelbraunrot, die Haut dick, von früherer Kälte angegriffen. Mit wem hat er wohl in letzter Zeit ein Wort gewechselt?
Wir beschließen zurückzufahren.
Auf der anderen Seite sehen wir Autos fahren. Das muss die richtige Straße sein! Lukas will sie unbedingt jetzt noch finden! Doch ich bin fertig für heute! Ich sage ihm, dass ich das lieber noch einmal auf der Rückfahrt probieren möchte. Er lässt sich darauf ein. Zum Glück! Denn warum das gut ist, sehen wir erst bei unserem zweiten Versuch!
Wir fahren also zurück, und weiter Richtung Norden.
Erdenet ist für den Durchreisenden keine „schöne“ Stadt. Überall sehen wir alte, marode Leitungen, die über der Erde verlegt sind, und zusammen mit alten Arbeiterwohnsiedlungen verbreiten sie einen morbiden Charme. In Erdenet gibt es eine große Kupfermine, und alles scheint davon bestimmt!
Vielleicht wäre es ein anderes Bild, wenn wir die Hauptstraße verließen, und ins Zentrum fahren würden? Wir wollen aber weiter, um einen guten Nachtplatz zu finden.
Hinter Erdenet fahren wir auf eine Weide, auf der wir unser Zelt aufschlagen und Abendessen kochen.
Es ist schön, nach der Autofahrt zur Ruhe zu kommen. Wir sehen Jurten weiter entfernt in einer Senke, und Herden von Schafen, Ziegen, und Pferden, die von Hirten auf Motorrädern über die Wiesen getrieben werden. Es ist ein friedliches, geruhsames, und ganz einfaches Bild. Überall, wohin du schaust, ist Weite und Frieden! Es gibt fast keine Geräusche. Meistens umgibt uns eine große Stille.
Irgendwann schwebt ein Bussard über uns, und setzt sich dann in der Nähe auf einen Hügelkamm, um zu sehen, was das Abendessen bringen wird. Er sitzt regungslos und sehr lange dort.
Auch in dieser Nacht regnet es, was uns aber nichts ausmacht, da das Zelt wunderbar trocken und warm hält.
Wie schön, dass am nächsten Morgen die Sonne scheint! Perfekt für Morgenübungen, Frühstück, und, um das Zelt vor der Weiterfahrt zu trocknen!
Am Freitag nachmittag sind wir in Ulaan Baatar losgefahren. Das war unsere zweite Nacht und heute ist also der dritte Tag: Sonntag, 2.09.2018.
Bulgan ist eine kleine, sympathische Stadt. Sie besteht aus vielen kleinen Holzhäusern, die, wie in der Mongolei üblich, nicht nur mit roten Dächern gedeckt sind, sondern auch mit blauen, grünen, gelben und orange farbenen! Das ergibt ein buntes und fröhliches Bild.
Laut Reiseführer soll es in Bulgan eine Apotheke geben, die gute Naturkräuter führt. Leider finden wir sie nicht. Wir kaufen neuen Wasservorrat ein, und weiter geht es Richtung Chöwsgöl Nuur!
Nach Bulgan kommen wir durch bergige, waldreiche, wunderschöne Landschaft! Das Ovoo, an dem wir halten, um für unsere gute Weiterfahrt zu beten, ist wunderschön! Es ist der Rahmen einer alten schamanischen Trommel!
Wir steigen wieder ins Jeep, und fahren weiter. Da! Direkt vor uns stürzt sich ein riesiger Bussard auf die Straße, pickt eine (schon tote?) Maus auf, und fliegt davon. Lukas reagiert gut, und verlangsamt das Auto! Zum Glück ist hinter uns niemand! Wir schauen dem Bussard mit offenen Augen und Mündern bei seinem waghalsigen Manöver zu, und sind dankbar für diesen magischen Moment!
Einmal sehen wir im Vorbeifahren ein schönes Bild: Zwei Männer, die in ihrer Tracht, türkisgrünen Mänteln (Deel) mit strahlend orangefarbenen Stoffgürteln, zwischen ihren Pferden neben der Straße auf der Wiese liegen, und ein Nickerchen machen. Welch' ein Frieden!!!
40 km vor Mörön hält uns ein Mann an, der neben seinem Jeep am Straßenrand steht. Er macht das so bestimmt, dass wir gar nicht anders können, als anzuhalten. Es stellt sich heraus, dass er Polizist ist! Er hat seine Familie dabei, eine Frau, und zwei Jungen. Das Auto ist kaputt, wir sollen sie abschleppen! Er schickt uns einen der jungen Burschen mit ins Auto. Der setzt sich hinten auf die Kochkiste, und kann über sein Handy mit den Abgeschleppten und uns kommunizieren! Es geht los. Lukas’ erste Abschleppfahrt!
Er macht das toll. Jetzt bloß keine Ziegen oder Schafe auf der Straße! Wir zuckeln über die Berge Richtung Mörön. Die Familie im abgeschleppten Auto amüsiert sich. Sie lachen dauernd! Auch der junge Mann ist gut gelaunt. Er kann zwar fast kein Englisch, und wir nur ein paar mongolische Wörter, aber wir amüsieren uns trotzdem.
In Mörön angekommen, werden wir ins Haus der Familie eingeladen, und mit Buttertee und Nudelsuppe bewirtet. Die Schwester des Polizisten wird angerufen, und bedankt sich bei uns auf Englisch. Wir lehnen Geld ab, bekommen aber eine Tüte mit getrockneten Milch-Plätzchen geschenkt. Jetzt werden noch Facebook-Adressen ausgetauscht. Was? Lukas macht Musik? Rap? Hip Hop? Wunderbar! Alle freuen sich, und machen Selfies mit Lukas.….Dann geht es weiter…
Lange Autofahrt durch wundervolle Landschaften.
Wir passieren den Punkt des 50° Breiten-, und 100° Längengrades!
Nach 10 Stunden erreichen wir unser Camp am See. Wir freuen uns über Essen, eine Dusche, und ein Bett!
Das Toilogt Camp liegt traumhaft direkt am See, und wird von einer sehr geschäftstüchtigen Mongolin geleitet. Es ist hier alles an amerikanischen Touristengruppen orientiert. Wohnen kann man in mongolischen oder kasachischen Jurten, oder in Tippies. Geheizt wird in kleinen Eisenöfen. Leider ist das Holz sehr frisch und feucht, und brennt nicht richtig. Da wir nicht so viel Anzünder dabei haben, müssen wir immer wieder fragen, ob jemand kommt, um den Ofen einzuheizen. Auch das Holz in der Sauna scheint feucht zu sein. Wir müssen nach kurzer Zeit vor dem Rauch, der in die Sauna dringt, fliehen.
Ansonsten ist das Ger-Camp sehr schön. Auch das Essen ist lecker und liebevoll zubereitet. Aber wenn ich mir vorstelle, dass die Jurten im Sommer voll belegt sind, frage ich mich, wie das dann hier alles ablaufen wird, besonders in den Waschhäusern… Ich bin froh, dass wir in der Nachsaison hier sind, und bis auf ein paar kleine Reisegruppen nichts los ist.
Alles Brauchwasser muss hier gesammelt, und mit dem LKW zu einem anderen Ort transportiert werden, da der Chöwsgöl See Trinkwasserqualität hat, und kein anderes Wasser hineingeleitet werden darf. Das bedeutet große Verantwortung! Ich bin beeindruckt von der Leistung, unter diesen Umständen ein Ger-Camp hier zu leiten.
Lukas und ich sind froh, nicht in einer Gruppe zu reisen, denn so haben wir unsere Ruhe, und können die Dinge in unserem Rhythmus unternehmen.
In der Gruppe bist du zwar „aufgehoben“, und fühlst dich vielleicht „sicher“. Aber du musst immer alles mit diesen Menschen machen, ob es dir paßt, oder nicht, und erlebst bestimmt nicht so viele magische und abenteuerliche Momente! Lukas und ich fühlen uns frei! Wir können immer entscheiden, was wir machen wollen. Wir genießen es sehr, individuell reisen zu können.
Wir machen eine Wanderung an dem wunderschönen See entlang, und Lukas fährt im durchsichtigen Kanu, und schaut bis auf den Grund durch das glasklare Wasser.
Er stürzt sich auch jeden Morgen nach dem Aufwachen ins kalte Wasser! 14 Grad messen wir. Ich warte auf die sonnige und warme Mittagszeit. Dann gehe auch ich baden. Das Wasser ist ziemlich kalt, aber auch sagenhaft belebend! Sonst ruhen wir uns aus, lesen, machen zusammen Sport, waschen ein paar Sachen, und genießen die Zeit am See.
Die Mongolen lachen viel! Sie sind sehr freundliche Menschen. Schade, dass ich ihre Sprache (noch) nicht verstehe, und mitlachen kann. Und sie sind gemütlich! Sie setzen sich gleich auf die Erde, ins Gras, oder legen sich seitlich ganz elegant hin. Sie haben alle Zeit der Welt, und scheinen nie in Eile zu sein! Beim Camp gibt es eine alte Frau. Die Oma der Familie. Ich sehe sie oft, wie sie mit ihrem Mann in einem einfachen Haus neben dem neu gebauten der Besitzerin in ihrer Küche sitzt. Manchmal sitzt sie auch hinter dem Haus auf der Erde und schmaucht eine Zigarette.
Ab und zu liegt ein Besucher daneben, und hat es sich auf mongolische Art bequem gemacht. Abends sehe ich sie oft, wie sie aus dem Fenster lehnt und eine letzte Abendzigarette raucht. Wir winken uns zu, wenn ich gerade vom Zähneputzen aus dem Waschhaus an ihr vorüberkomme. Als Lukas und ich einmal mittags kochen, kommt sie, und bringt uns Brot.
Morgen am Chöwsgöl Nuur. Lukas sitzt am See und meditiert. Ich setze mich etwas weiter entfernt auf einen Stuhl am Ufer, und schließe meine Augen.
Irgendwann ist es, als wenn der See mit mir spricht. Die Wellen singen ihr Lied vom Ankommen und Wegfahren, vom „Immer-wieder-Loslassen“, und davon, dass alles ein ewiger Kreislauf ist. Nichts, über das es sich aufzuregen lohnt. Kommen und gehen. Kommen und gehen. Kommen und gehen. Es sind die Worte einer Mutter.
Der See ist eine Mutter, die mit mir spricht! Die Wellen tönen sanft. Die Seelenmutter umarmt mich mit Wellenhänden. Ich bin sehr berührt, und lasse die Tränen fließen. Mich schüttelt immer wieder dieses Gefühl der bedingungslosen Liebe, das sie mir schenkt.
Später lese ich, dass dieser See auch "Mutter Meer“, oder „Mutter Chöwsgöl“ genannt wird.
In der letzten Nacht regnet es. Leider dringt der Regen in unsere Jurte, der Boden ist ganz nass. Und kalt ist es auch. Wir sind froh, unsere Daunenschlafsäcke zu haben, und freuen uns schon wieder auf unser warmes und trockenes Zelt. Als wir morgens zum Auto gehen, sehen wir, dass es in den Bergen geschneit hat! Die hohen Gebirgszüge sind weiß überzuckert und sehen majestätisch aus!
Los geht es zurück, Richtung Ulaan Baatar! Aber vorher wollen wir es doch noch schaffen, das Kloster Amarbayasgalant zu finden!
Lukas gibt nicht auf! Er will zu diesem Kloster! Und ich auch. Wir haben heute zwei Karten auf dem Handy. Einmal „MAPS.ME“, das auch offline funktioniert, und dann noch die Google Maps Karte. Allerdings werden wir auf der Strecke kein Netz haben, und wissen auch nur, dass wir uns grundsätzlich eher links halten müssen. Fragt sich nur, wann!
Nachdem die Kiespiste endet, gibt es viele verschiedene „Wege“, die alle irgendwie in die gleiche Richtung zu führen scheinen, es dann aber nicht wirklich tun! Lukas nimmt intuitiv heute am richtigen Punkt die linke Möglichkeit, und wir haben das Gefühl, jetzt auf dem richtigen Weg zu sein! Vertrauen gibt uns auch, dass die Straße jetzt eher etwas besser wird, und, dass sie von hölzernen Strommasten gesäumt wird. Ein sehr gutes Zeichen!
Irgendwann überqueren wir einen Pass, und fahren vorsichtig über eine kleine rote Holzbrücke, da taucht die Klosteranlage vor uns auf! Das Kloster liegt am Fuße eines Berges, zusammen mit einigen Jurten und kleinen Holzhäusern.
Wir müssen allerdings noch einen Fluss durchqueren, und loben wieder einmal unseren tollen Jeep! Er läßt uns nie im Stich!
Lukas und ich fallen uns in die Arme! Wir haben nicht aufgegeben. Wir haben es geschafft! In der Nähe des Klostereingangs ist eine große Wiese, auf der wir unser Zelt aufbauen. Gegenüber gibt es sogar einen kleinen Laden, in dem wir Wasser kaufen können.
Immer wieder kommen Mongolen vorbei, und besuchen uns, und schauen unser seltsames Zelt an! Sie staunen, dass es aufblasbar ist! Das „Heimplanet“-Zelt ist eine richtige Attraktion!
Lukas und ich gehen zum Kloster.
Das Kloster Amarbayasgalant („Kloster der ruhigen Glückseligkeit“) ist in der Nähe des Flusses Selenge gelegen, am Fuße des Berges Burenkhan. Es ist eins der drei größten Klöster der Mongolei.
„Der Legende nach sind seine Gesandten (des Mandschu-Kaisers) durchs ganze Land gereist, um einen geeigneten Platz für das Kloster zu finden.
Sie trafen zwei Schafhirten, der eine hieß Amar, und der andere Bayasgalant. „Amar“ kann als sanft und friedlich übersetzt werden, und „Bayasgalant“ als Freude und Glück. So entschieden die Gesandten, dass dies ein Zeichen sei, und wählten diesen Ort.“ (aus: „Mongolei. Unterwegs im Land der Nomaden“, Marion Wisotzki, Ernst von Waldenfels, Erna Käppeli, Trescher Verlag, 3. Auflage 2015)
Wir treffen bei unserem Rundgang durch das Kloster Sonja und Kamil, ein polnisches Pärchen aus Gdansk, das ein Jahr lang trampend die Welt bereist, und die es hierher verschlagen hat.
Wir haben Glück! Heute beginnen drei wichtige buddhistische Feiertage mit Zeremonien und Ritualen. Das hätten wir nicht mitbekommen, wenn wir das erste Mal hierher gefunden hätten!
Die rituellen Gesänge und Tänze, unterlegt mit Tönen aus riesigen Blasinstrumenten, sind sehr beeindruckend.
Niemand kann uns sagen, wo die „steinerne Gebärmutter“ ist, die im Reiseführer beschrieben wird. Die wollen wir unbedingt finden!
Ein Mönch führt uns durch das Kloster. Wir sehen wunderschöne und beeindruckende Räume mit verschiedenen Buddhas und Bildern.
Dieses Kloster ist ein ganz besonderer Ort, das spüren wir sofort! Früher haben hier 2000 Mönche gelebt, heute sind es nur noch wenige. Wir zählen bei den Zeremonien nur etwa 30. Mit dabei ist ein ganz Junger. Vielleicht 6 Jahr alt? Die älteren Mönche kümmern sich rührend um ihn. Niemand sagt ihm, was er tun, oder lassen soll. Er sitzt die ganze Zeit geduldig, und beobachtet die Zeremonien. Ein großer, stämmiger Mönch „tanzt“ in einem schweren Kostüm. Wir erfahren, dass ganz besondere Mönche dafür ausgewählt werden. Dieser macht das jetzt zum 14. Mal.
Es gibt noch einige wenige Besucher außer uns, und auch ein Film-Team. Das Kloster und dieser Ort strahlen eine besondere Ruhe, einen tiefen Frieden aus. Es ist ein mystischer Platz, und ich bin so glücklich, dass wir hierher gefunden haben!
Am Nachmittag kommen Lukas und ich nochmal zum Kloster. Vor uns ist eine mongolische Besuchergruppe. Neben dem Haupttempel steht eine kleine Stupa aus Stein. Hier kriecht eine Frau hinein! Das Steingeviert mißt ungefähr 50 x 50 cm. Nicht wirklich groß jedenfalls!
Das ist die steinerene Gebärmutter, die wir gesucht, und nicht gefunden haben! Die Frau schlängelt sich vom Norden her, Millimeter für Millimeter hinein und hindurch, wie ich es im Reiseführer gelesen habe. Zuerst muss sie ganz hinein, dann kommt sie in der Hocke kauernd auf die Beine, dreht sich im Uhrzeigersinn dreimal herum, und muss nun etwas nach oben, um durch das kleine Loch Richtung Süden hinauszuschauen, und ihre Wünsche und Gebete dort herauszuschicken. Jetzt muss sie langsam wieder nach unten auf den Boden, und sich so zusammenfalten, dass sie sich nach vorne, Richtung Süden wieder aus der Gebärmutter herausschlängeln kann. Sie schafft es, und ist überglücklich! Jetzt ist Lukas an der Reihe. Mutig bewegt er sich hindurch! Als er wieder draßen ist, sagt er trocken zu mir: „Also Panik darfst du da nicht bekommen!“
Ich bin auch mutig, und bewege mich ein bißchen wie in Trance hindurch. Es ist ziemlich eng, aber ich schaffe es. Als ich mich am Ende hinausbewege, bin ich außer Atem, und sehr glücklich, es geschafft zu haben! Jetzt sind wir wiedergeboren!
Abends finden im Haupttempel zwar keine Zeremonien mehr statt, aber ein paar Besucher*innen sind da und reden mit den Mönchen. Ein älterer Mongole reicht Lukas und mir je einen Becher mit Ayran, der vergorenen Stutenmilch. Ich warne Lukas, dass er vorsichtig sein muss. Wenn der Körper das nicht gewohnt ist, kann er schnell mit Bauchweh oder Durchfall reagieren,.
Wir nippen gespannt. Es schmeckt gut! Ein bißchen wie Buttermilch oder Kefir!
Eine Mongolin schaut mich intensiv an. Sie sagt immer wieder zu mir auf Englisch: „Ich habe Sie schon einmal gesehen!“ „Ich kenne Sie!“ Ich lächle. „Ja! Vielleicht in einem anderen Leben?“ Sie schaut mich an, und ich sie. Ja, auch ich finde sie sehr freundlich, habe aber nicht das Gefühl, sie zu kennen. Ihre braunen Augen sind sehr tief und intensiv.
„Sie strahlen so eine Wärme aus! Sie sind mir sehr sympathisch. Darf ich Sie umarmen?“, fragt sie mich. Ich nicke, und sie kommt auf mich zu. Wir umarmen uns lange. Es ist eine intensive und schöne Umarmung. Ein sehr berührender Moment!
Wir fahren vom Kloster zurück, über Ulan Baatar, weiter nach Süden. Sonja und Kamil, die beiden polnischen Tramper, sind froh, dass wir sie bis in die Hauptstadt mitnehmen! Durch Ulaan Baatar zu kommen ist wieder eine Geduldsprobe! Wir stehen lange im Stau. Aber wir wollen unbedingt außerhalb der Stadt übernachten. Bald finden wir auf grünen Hügeln einen schönen Platz. Es war heute wieder eine lange Autofahrt. Morgen geht es weiter, Richtung Sainshand, in die Ost-Gobi.
Nicht weit hinter der Stadt verändert sich die Landschaft. Kein Baum und kein Hügel ist mehr zu finden. Das Land wird flach und geht vom Grün ins Gelbe über. Parallel zur Straße führt das Gleis der Bahnlinie Ulaan Baatar-Beijing. Die alte Frau, die uns an der Tankstelle bedient, will wissen, woher wir kommen. Wir sagen ihr, dass wir Deutsche sind. Sie schaut uns ernst an, und sagt dann in perfekter Aussprache: „Angela Merkel!“ Wir lachen herzlich.
Nach einer langen Fahrt durch die Wüstensteppe, kommen wir nachmittags in Sainshand an. Wir suchen ein Hotel, und finden das "Crystal House Hotel", klein und fein. Ein Familienbetrieb! Wir duschen, und fahren dann noch 40 km weiter zur Klosteranlage Khamariin Khiid, bestehend aus verschiedenen, auch weiter entfernten Orten: Dem Kloster, dem Shambala-Energiezentrum, den "Zwei Fülligen", und dem "Heiligen Berg". Wir fahren zum heiligen Berg. Es sind zwar viele mongolische Touristen hier, aber der Platz strahlt dennoch eine ungeheure Kraft aus!
Zusammen mit dem Wind und der Sonne ist das sehr beeindruckend. Auf dem Weg sagt uns ein mongolischer Mann, dass nur Lukas ganz nach oben gehen darf. Der Gipfel ist für Frauen verboten. Mir macht das nichts aus, ich bleibe am weiter unten gelegenen Ovoo, genieße das atemberaubende Panorama im Sonnenuntergang, und schaue den Menschen zu, die hier Wodka opfern und ihn betend in den Wind schütten. Der Sonnenauf-, und untergang sind hier am Schönsten, heißt es!
Abends machen wir Picknick im Hotel, mit den restlichen Lebensmitteln, die wir noch im Auto haben. Dann gehen wir in das Hotelrestaurant, um noch etwas zu trinken. Chinesisches Bier in der Mongolei! Es ist richtig was los. Viele junge Gäste, die sich hier treffen und wohlfühlen. Es gibt original mongolisches Essen.
Die Nacht wird für mich leider unruhig. Auf dem Gang meldet sich alle paar Sekunden ein Notlicht mit einem Warnton. Ich kann schwer einschlafen. Lukas dagegen schläft selig!
Morgens besuchen wir das Danzanravjaa-Museum in Sainshand. Es ist wirklich sehr empfehlenswert und zeigt in wunderschönen Exponaten das Wirken und Leben des Klostergründers Danzanravjaa (1803-1856). Er war ein armer Hirtenjunge, und dann geistiges Oberhaupt, Maler, Mediziner und Dichter. Eine schöne Bronzestatue im Park hinter dem Museum zeigt ihn schwebend im Meditationssitz mit einem Skorpion auf der Schulter.
Lukas und ich fahren noch einmal zum Kloster. Wir besichtigen die Anlage, und fahren zum Energie-Zentrum. Dort legen sich die Menschen in den roten Sand. Die Mongolen zeigen uns, wie es geht. Schuhe ausziehen, und dann in Bauch- und Rückenlage flach auf die Erde legen!
Am Ovoo daneben wird dann in Richtung heiliger Berg ein Lied gesungen. Da ich die mongolische Schrift nicht lesen kann, singe ich die englische Übersetzung. Eine Mongolin stellt sich neben mich, und singt mit mir!
Es wird sehr heiß! 33° Grad! Wir finden einen Baum in einem trockenen Flussbett und kochen uns Mittagessen.
Unser Zelt stellen wir nicht weit vom Energiezentrum, nahe der Straße nach Sainshand, in der Wüstensteppe auf.
Abends besucht uns ein mongolischer Führer, den wir am Energiezentrum gesehen haben. Wir bieten ihm Rote Bete-Salat an, den er gerne mit uns zusammen ißt!
Der Sternenhimmel ist unbeschreiblich schön in dieser Nacht! Ich habe noch nie so einen weiten Nachthimmel gesehen!
Die Nacht im Zelt wird durch ein Erlebnis der besonderen Art unterbrochen. Irgendwann höre ich ein Schnauben, Schmatzen und Grunzen durch die Zeltwand, auf Höhe unserer Köpfe! Lukas und ich haben keine Lust nachzuschauen, WAS für ein Tier das ist! Wir tun so, als seien wir nicht zuhause. Zum Glück entfernt sich das Tier und seine merkwürdigen Geräusche ganz langsam, und wir schlafen ein.
Da es gestern geschlossen hatte, besuchen wir heute noch das Aimag-Museum, das dem Danzanravjaa Museum direkt gegenüber liegt. Auch dieses Museum lohnt den Besuch! Es zeigt die Geschichte der Mongolei seit der Urzeit. Dinosaurierfunde, die Steinzeit, Leben, Natur und Kultur, Kriege und Wissenschaft!
Wir trinken im Margad Hotel einen Tee und essen eine köstliche Nudelsuppe, bevor es weitergeht zur Wüstenquelle. Nochmal circa 80 km von Sainshand Richtung Süden liegt mitten in einer Düne die Wüstenquelle Bürdene. Mit Hilfe von unserer Kontaktperson von escapetomongolia.com finden wir die kleine Straße, die irgendwann von der Hauptstrasse weggeht. Es gibt kein Hinweisschild! Der Weg führt durch eine vollkommen einsame Landschaft, und schlängelt sich lange durch trockene Flussbetten und Steppe. Am Ende sehen wir riesige Dünen auftauchen, und ein Touristen-Camp mit kleinen Holzhäusern, das jedoch schon geschlossen ist. Der Platz ist wunderschön. Die Düne sieht riesig aus, ist aber, sobald wir uns nähern, gar nicht mehr so groß!
Die Quelle ist weiter entfernt. Unser Jeep bleibt im Sand stecken. Lukas versucht herauszukommen, aber der Reifen gräbt sich nur noch mehr hinein! Wir graben mit den Händen, bis Lukas merkt, dass er das 4x4 Getriebe gar nicht eingeschaltet hat! Im Nu sind wir draußen.
Das Ovoo, zu dem wir gehen, ist beeindruckend. Vier große Holzstämme sind mit weißen und blauen Tüchern umwickelt. Lukas und ich bedanken uns bei den Göttern, dass wir gesund bis hierher gekommen sind, und beten für eine gute Weiterreise.
Unser Zelt stellen wir heute Nacht wieder nahe der Straße auf. Wir finden einen wundervollen Platz an einem großen Steinhaufen. Es ist ein Natur-Ovoo! Sehr mächtig! Wir parken das Auto so, dass es mit den Steinen eine Art Schutzwall gegen den heftigen Wind bietet. Sogar kochen können wir! Wir stellen alles, was wir haben um den Gaskocher herum. Nachts wird der Wind so stark, dass er immer lauter wird. Das Zelt steht zwar wunderbar, aber es ist einfach zu laut! Wir ziehen ins Auto um.
Nun geht es zurück nach Ulaan Baatar! Die Strecke zurück nach Sainshand, und weiter, kommt uns kürzer vor. An einer geschlossenen Raststätte, wie im Wilden Westen, kochen wir uns Nudeln im Schutze einer Mauer. Die Straßen sind zwar befahrbar, aber du musst immer mit nicht angekündigten Löchern, oder Tieren auf der Fahrbahn rechnen. Dies ist ein freies Land, ohne Zäune! Wir sehen auf der gegenüberliegenden Fahrbahn zwei europäisch aussehende Fahrradfahrer mit Kinderanhänger für Gepäck entlangstrampeln. Wenig später läuft ein junges Mädchen mit großem Rucksack am Straßenrand. Allein! Ich bewundere ihren Mut, und frage mich auch, was am Alleinreisen gut sein soll. Das wäre nichts für mich.
Am Nachmittag kommen wir endlich wieder in die Gegend, wo wir schon auf der Hinfahrt gen Süden gezeltet haben. Wir fahren etwas weiter von der Strasse weg, und finden einen wunderschönen Platz auf einer Weide. Wir kochen Abendessen, und ich wasche ein paar Sachen, damit wir morgen in der Stadt nicht zu staubig daherkommen! Das Wasser reicht gerade so! Ein Auto kommt vorbei, und hält. Ein mongolisches Ehepaar besucht uns. Sie kommen vom Pilzesuchen, und schenken uns eine große Tüte mit frischen Champignons! Ich habe noch Gastgeschenke übrig, und gebe der Frau einen pinken Nagellack, über den sie sich riesig freut.
Die Nacht ist ruhig. Der Wind hat sich gelegt. Es regnet kurz. Im Tal rattern die Transsibirische Eisenbahn und Güterzüge, die zwischen Ulaan Baatar und Beijing in endlosem Rhythmus hin und herfahren. Abends und morgens trotten Kühe vorbei, die sich über die Gäste auf ihrer Weide wundern.
Morgens scheint die Sonne und trocknet Zelt und Kleidung. Lukas liest.
Ich schreibe Tagebuch, und schaue in den Himmel. Drei Bussarde fliegen genau über uns! Sie kreisen sanft in der Thermik, und ihr Flug sieht aus wie eine Choreographie! Es scheint, als wollen sie uns Lebewohl sagen.
Wir nehmen die Vodkaflasche, und ein paar getrocknete Milchplätzchen, die vom Opfern an den Ovoos übriggeblieben sind, und gehen zu unserem letzten Ovoo auf dem nahen Hügel. Wir sind so dankbar und glücklich, dass wir hier sind. Wir fallen uns in die Arme! Wir genießen dort oben noch ein letztes Mal die Weite und Freiheit, bevor es in die Stadt zurückgeht.
Die Weite des Landes hat etwas Atemberaubendes. Ich sagte immer wieder: „Unglaublich!“ Und Lukas darauf: „Nein, Mamma, das ist nicht un-glaublich, das ist „glaublich!“ Und da hat er Recht.
Die Unendlichkeit und die unmittelbare Nähe zu den Elementen und Naturgewalten lässt dich klein und schutzlos werden. Du hast das Bedürfnis zu beten. Ich verstehe jetzt auch die Ovoos besser! Du kannst gar nicht anders, als die Götter anzuflehen. Alles hängt davon ab. Du hast deine Familie, deine Tiere, deine Jurte…das ist alles!
Alle sind frei hier: Ziegen, Schafe, Kühe, Pferde, Yaks, Rentiere, Kamele, Hunde, alle laufen frei herum, auch über die Straßen! Die Jurten stehen frei im Land, keine Zäune weit und breit. Zäune begegnen uns erst in Dörfern oder Städten.
Ich kann wirklich sagen, dass ich so eine Landschaft in Europa noch nicht gesehen habe. Auch die Gefühle hatte ich noch nie zuvor. Ich glaube, dass du süchtig werden kannst danach.
Zurück in Ulaan Baatar wartet unser Zimmer schon auf uns, und wir freuen uns sehr über die Dusche! Heute machen wir noch eine Stadtführung, und kaufen ein paar Mitbringsel ein. Kleidung aus Kaschmir ist hier sehr hochwertig und günstig. Mit Freunden gehen wir als erstes in Millie's Cafe, wo du hervorragend Burger (und mehr!!!) essen kannst. Dann besuchen wir das Choijin-Lamyn-Museum. Es ist ein alter Tempelkomplex, der zwischen 1904 und 1908 gebaut worden ist. Einer der wenigen erhaltenen Tempel hier. Die Räume mit den verschiedenen Figuren und Buddhas sind wunderschön! Sehr empfehlenswert!!!
Abends gehen wir noch mongolisch essen. Nach 12 Tagen veganer Ernährung freuen wir uns über "ein bißchen" Fleisch!
Der Flug nach Beijing ist angenehm. Dort haben wir 5 Stunden Aufenthalt, die wir im Flughafen verbringen. Lukas schläft, ich schreibe Tagebuch und beobachte das Leben hier, mitten in der Nacht! Air China bringt uns zurück nach München. Ich kann kaum schlafen, aber Lukas schläft dafür umso seliger! Wir kommen gesund und munter, und etwas müde in München an. Die Eindrücke dieser wunderbaren Zeit sind tief in uns verwurzelt, und werden uns noch lange begleiten!
Jetzt, nachdem wir schon zwei Wochen wieder zurück sind, sind auch langsam ALLE Teile von mir zurückgekehrt. Es hat wirklich gedauert!
Die Momente und Bilder dieser Reise reihen sich wie Perlen auf einer Kette aneinander. Sie sind sehr kostbar und werden unvergeßlich bleiben.
Ja, die Mongolei war ein Traum von mir! Was ist jetzt mit diesem Traum passiert, nachdem er Wirklichkeit werden durfte? Fern von allem Gewohnten zu sein, ganz losgelöst vom Alltag, der mich sonst umgibt? Die Mongolei kannst du in einer Reise nicht wirklich in all’ ihrer Größe und Vielschichtigkeit „kennenlernen“. Das war uns klar, und so sollte es auch nicht sein.
Solch’ eine Reise ist wirklich gut, um dich wieder mit der Natur - auch mit deiner Natur! - in Kontakt zu bringen! Du merkst, wie wenig du brauchst zum Leben, und zum Glück. Du brauchst keine Bildschirme und keine Nachrichten. Alles in dir kommt in der dich umgebenden Weite zur Ruhe.
Die Mongolei! Du kannst etwas erahnen von ihrem Reichtum, und ihrer Tiefe. Du kannst etwas von ihren Schätzen und Kräften kosten, du kannst sie „beschnuppern“, wie ein Pferd deine Hand. Du kannst etwas von ihren Geheimnissen und ihrer Unendlichkeit spüren, kannst besondere Momente und Bilder erleben, die tief in deinem Herzen bleiben werden. All’ das ist schon sehr viel! Und ich bin sehr dankbar, dass ich das erleben durfte.
Da ist immer wieder ein Satz, der in mir hochkommt: „Ich, Susanne, „darf“ das in meinem Leben erleben!
Danke an meinen wundervollen Sohn Lukas, ohne den ich diese Reise nicht gemacht hätte, und vor allem: so nicht hätte machen können! Und vielen herzlichen Dank an Max und Sixt Ulaan Baatar, und das ganze Team von escapetomongolia.com. Ihr habt uns wunderbar betreut und uns eine unvergeßliche Erfahrung ermöglicht!
Susanne Eichhammer, München, 29.09.2018
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